Amerikanischer Komponist und Instrumente-Erfinder, geboren am 24. Juni 1901 in Oakland, California. Harry Partch gehörte zu den ersten westlichen Komponisten, die sich der mikrotonalen Musik zuwandten. Die meisten Musikstücke schrieb Partch für selbst erfundene und gebaute Instrumente, die in reiner 11-Limit-Stimmung gestimmt waren.
Partchs Eltern waren presbyterianische Missionare, die noch kurz vor seiner Geburt in China arbeiteten. Als Kind lernte er Klarinette, Harmonium, Bratsche und Gitarre spielen. Schon im frühen Alter komponierte er seine ersten Stücke. Dabei bediente er sich der in der abendländischen Musik gängigen 12-Ton-Technik.
Mit der Zeit sah er aber wesentliche Mängel in der herkömmlichen Stimmung wegen der Unreinheit der temperierten Intervalle und der Nichtbeachtung von reinen Intervallen über die Terz hinaus. Als 21-Jähriger kam ihm 1923 Hermann Helmholtz' Buch "On The Sensations Of Tone" in die Hand, in dem die möglichen musikalischen Intervalle mathematisch genau beschrieben waren.
Fortan empfand Partch die westlichen Tonleitern als zu einengend. 1930 verbrannte er alle seine früheren Werke, darunter viele Songs. Seine ersten erweiterten Tonleitern entwickelte er mit der Absicht, die Melodik der Sprechstimme wiedergeben zu können. Er baute eine eigene Variante der Bratsche, um sein Konzept zu demonstrieren.
Dieses Instrument hatte ein verlängertes Griffbrett mit metallenen Punkten für abzugreifende "naturreine" Intervalle und wurde wie ein Violoncello gespielt. Ein frühes Werk für diese Adapted Viola und Gesang war 1933 seine "17 Lyrics" nach Li Po-Texten. Eine Aufnahme davon mit Ted Mook (tenor-vio) und Stephen Kalm (voice) erschien Jahrzehnte später unter dem Titel "17 Lyrics Of Li Po" (Tzadik, 1995).
Partch erhielt 1934 dafür ein Stipendium der Carnegie Corporation und konnte mit dem Werk nach London zu gehen, um unter anderem altgriechische Tonsysteme zu studieren. Während seines Aufenthalts in Europa traf Partch in Dublin den Dichter William Butler Yeats. Partch brauchte dessen Zustimmung, um Yeats' Übersetzung von "König Ödipus" des Sophokles in einer Oper zu nutzen.
Zum Treffen nahm Partch eines seiner Instrumente, eine adaptierte Gitarre, mit und begleitete damit seinen eigenen Gesang. Yeats war begeistert. Harry Partch hatte vor, eigenhändig Instrumente für die Aufführung zu bauen. Nach dem Ablauf seines Stipendiums geriet Partch, 1935 in die USA zurückkehrend, in die "Great Depression", fand keine Arbeit und musste sich als Gelegenheitsarbeiter durchschlagen.
Diese Zeit als Hobo prägte ihn nachhaltig und führte dazu, dass er nicht nur mit dem westlichen Musikleben, sondern letztlich mit der westlichen Gesellschaft brach. Er war ein extrem selbständiger aber auch schwieriger Charakter. Trotzdem fand er immer wieder Freunde, die seine enorme Begabung erkannten und ihn unterstützten, sei es mit Stipendien oder mit Gelegenheiten, Instrumente zu bauen und Aufführungen mit jungen Leuten zu organisieren.
1942 reiste Partch nach New York. Schon 1933 hatte er dort wichtige Komponisten und Musikwissenschaftler wie Charles Seeger, Walter Piston, Henry Cowell, Aaron Copland und Otto Luening getroffen. Letzterer vermittelte ihm 1942 Vorträge an diversen Hochschulen, unter anderem an der Eastman School of Music. Im März 1943 bekam Partch das lang ersehnte Guggenheim-Stipendium.
Er nutzte dies für die Konstruktion neuer Instrumente sowie die Aufführung seines "Monophonic Cycle" in der New Yorker Carnegie Chamber Music Hall 1944. Vermittelt durch den Pianisten und Komponisten Gunnar Johansen begann 1944 Partchs Zusammenarbeit mit der Universität von Wisconsin in Madison.
1949 veröffentlichte die University Press Partchs Buch "Genesis of a Music". Darin setzt er sich mit Musiktheorie und Instrumentenbau auseinander. Heutzutage gilt das Buch als eine der grundlegenden Schriften zur Theorie mikrotonaler Musik. Es erlebte mehrere Auflagen und ist immer noch erhältlich. Ab 1947 entwickelte er in einer alten Schmiede auf einer Ranch in Gualala nördlich von San Francisco neue Instrumente.
Zum Instrumentarium zählten ein umgebautes und speziell gestimmtes Harmonium, genannt "Chromelodeon", die "Adapted Guitar" und "Adapted Viola", die "Diamond Marimba", der "Harmonic Canon", die riesige "Kithara", die von einem Podest aus gespielt werden musste und auch die mächtige "Bass Marimba", die später von der "Marimba Eroica" an Grösse noch übertroffen wurde.
Bis 1951 arbeitete er an mehr vokalbeeinflusster Musik. Erst ab 1952 wandte er sich mehr instrumentaler, vor allem perkussionsgeprägter Musik zu. Partch wurde dabei stark von indonesischer Gamelanmusik beeinflusst. Er gehörte nie zu den etablierten Komponisten. Einzig Lou Harrison und Colin Nancarrow, den er in Mexico besuchte, zählten zu seinen näheren Bekannten.
1953 musste Partch sein Studio am Mills College verlassen und etablierte sich in Sausalito, nördlich von San Francisco. Am "Gate 5", einer verlassenen Werft, baute Partch ein Ensemble auf und gründete mit der Hilfe einiger Freundinnen und Freunde bzw. mit Hilfe des Harry Partch Trust Fund das "Gate 5"-Schallplattenlabel. Privatverkäufe seiner Aufnahmen sicherten ihm den Lebensunterhalt.
In den 1950er und 1960er Jahren schuf Harry Partch seine wesentlichen Bühnenwerke, die zugleich eine Bühnenpräsentation seines inzwischen fertiggestellten Instrumentariums waren. Harry Partch als Komponist blieb lange dem breiteren Musikpublikum unbekannt. Ungeachtet dessen genoss er grossen Ruf in experimentellen und mikrotonalen Kreisen. Dort wurde er gar als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts betrachtet.
In den USA wurden viele Komponisten und Musiker von ihm beeinflusst, etwa Ben Johnston, Ezra Sims, Larry Polansky und John Schneider. György Ligeti besuchte Partch 1972, wobei Partch ihm vorsang, sich auf der Adapted Viola begleitend. Ligeti brachte Schallplatten mit Partchs Musik in seine Kompositionsklasse und machte Mikrotonalität zu einem wichtigen Thema. Er selbst wurde durch Partch zu mehreren mikrotonalen Werken angeregt.
Harry Partch starb am 3. September 1947 im Alter von 73 Jahren in San Diego, California. Nach seinem Tod nahmen sich vor allem der Komponist und Perkussionist Dean Drummond und sein Ensemble Newband dem musikalischen Erbe von Partch an.
Drummond verwaltete und renovierte an der Montclair State University, New Jersey, die Instrumenentensammlung von Partch und brachte dessen Werke zur Aufführung. Das Label "Composers Recordings Inc." (CRI) gab unter dem Titel "The Harry Partch Collection" im Rahmen einer Reihe mehrere Wiederveröffentlichungen von Werken Partchs heraus, die auf dessen eigenem Label "Gate 5" erschienen waren.
Dabei wurden die Orginalbänder mit neusten Techniken überarbeitet. Volume 1 und 2 erschienen 1997 und wurden 2004 von "New World" noch einmal neu aufgelegt. Volume 3 und 4 kamen ebenfalls 1997 heraus, wurden aber erst 2005 wiederveröffentlicht.
Weitere historische Aufnahmen fanden sich auf dem 4-CD-Set ""Enclosure Two" (Innova, 1995) und auf dem 3-CD-Set "Enclosure Five" (Innova, 1998). Zusammen mit David Barron (voice) spielte das Kronos Quartet unter dem Titel "Harry Partch: U.S. Highball" (Nonesuch, 2003) das 28:47-minütige Werk "U.S. Highball - A Musical Account Of A Transcontinental Hobo Trip" ein. Es war das einzige Stück auf dieser CD.
Zuvor hatte das Kronos Quartet zusammen mit Ben Johnston (voice) für die CD "Howl, U.S.A." (Nonesuch, 1996) das Partch-Werk "Barstow: Eight Hitchhikers' Inscription From A Highway Railing At Barstow, California" aufgenommen. Die anderen Werke dieser CD stammten von Michael Daugherty, Scott Johnson und Lee Hyla.
"Plectra And Percussion Dances", eines von Partchs Hauptwerken, wurde erst auf einer gleichnamigen CD (Bridge, 2014) erstmals in seiner ganzen Länge veröffentlicht. Das Label "Innova Recordings" gab zwischen 1995 und 2007 unter dem Obertitel "Harry Partch Enclosure Series" insgesamt acht Aufnahmen heraus, davon vier VHS-Videokassetten bzw. später DVD.
"Enclosure Two" (Innova, 1995) war ein 4-CD-Set und "Enclosure Five" (Innova, 1998) ein 3-CD-Set. Werke von Partch fanden sich auch auf fast zwei Dutzend anderen Alben. 09/23