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Misha Mengelberg

Holländischer Pianist, Komponist und Bandleader, geboren am 5. Juni 1935 als Mijsa Mengelberg. Er war der Sohn des holländischen Dirigenten und Komponisten Karel Mengelberg (1902-1984) und ein Grossneffe des Komponisten und Dirigenten Willem Mengelberg (1871-1951). Seine Mutter war Orchester-Harfenistin.



Er wurde während eines Aufenthalts seines Vaters als Filmkomponist und -dirigent im damals sowjetischen Kiew geboren. 1938 kehrte seine Familie nach Amsterdam zurück. Er absolvierte später ein Architekturstudium und studierte anschliessend am Königlichen Konservatorium in Den Haag zwischen 1958 und 1964 Musik, unter anderem Komposition und Musiktheorie bei Kees van Baren.

 

Während seines Studiums erarbeitete sich Mengelberg einen Ruf als Jazzpianist und gewann 1959 einen Jazz-Wettbewerb in Loosdrecht. Einflussreich war eine Begegnung mit John Cage während der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik. 1961 gründet er mit Piet Noordijk (as), Rob Langereis bzw. später Jacques Schols (b) und Han Bennink (dm) das Misha Mengelberg/Piet Noordijk-Kwartet, das auch amerikanische Jazzmusiker wie Johnny Griffin begleitete.

 

Mengelberg, Schols und Bennink waren am 2. Juni 1964 in Hilversum Begleiter von Eric Dolphy bei einem seiner letzten Auftritte. Der Mitschnitt wurde noch im selben Jahr unter dem Titel "Last Date" (Fontana, 1964) veröffentlicht. Später tauchten andere Mitschnitte von Konzerten auf, die Dolphy im Juni in Europa gegeben hatte. Dolphy starb am 29. Juni 1964 im damaligen West-Berlin.

 

Studioaufnahmen des Misha Mengelberg Kwartet von 1964 mit Gary Peacock (b) als Gast sowie mit Noordijk und Bennkink erschienen erst später auf der LP "Driekusman Total Loss" (Varajazz, 1981). In einem von 1966 stammenden Track spielte an Stelle von Peacock Rob Langereis. Als Misja Mengelberg Quartet traten Noordijk, Mengelberg, Langereis und Bennink am 4. März 1966 in Amsterdam auf.

 

Der Mitschnitt dieses Konzerts trug den irreführenden Titel "The Misja Mengelberg Quartet (As Featured At The Newport Jazz Festival 1966)" (Artone, 1966), auch wenn die Musiker 1964 am Newport Jazz Festival aufgetreten sein sollen. Ein Jahr später erschien diese LP unter dem Titel "Live From Holland" (Artone, 1967). Andere Aufnahmen dieser Gruppe vom April 1966 waren "Journey"‎ (Muziek Centrum Nederland, 2011).

 

Als sich Mengelberg und Bennink freieren Jazzformen zuwandten, trennen sie sich 1967 von Schols und Noordijk und taten sich mit Maarten Altena (b) und Willem Breuker (dm) zu einem Quartett zusammen. Von diesem erschienen keine Aufnahmen.


1967 gründete Mengelberg mit Han Bennink und Willem Breuker den Instant Composers Pool (ICP). Es war dies eine lose Vereinigung der holländischen Jazz- und Improvisationsmusiker, aus der auch das ICP Orchestra entwuchs. Der ICP war zudem auch ein Label, eine Selbsthilfeorganisation, eine Musikerkooperative, eine Konzertveranstalterin und eine Agentur.

 

Breuker veröffentlichte zwar im Duo mit Bennink mit "New Acoustic Swing Duo" (ICP, 1967) die erste LP dieses Labels überhaupt, kehrte dem ICP Anfang der 1970er Jahre den Rücken und zog mit dem Label "BVHaast" sein eigenes Ding durch. Das zweite Album des "ICP"-Labels hatte "Instant Composers Pool" (ICP, 1968) geheissen und zeigte Mengelberg und Bennink im Trio mit John Tchicai (as).

 

1969 schrieb Mengelberg mit den Komponisten Louis Andriessen, Jan van Vlijmen, Peter Schat, Reinhard de Leeuw und den Librettisten Harry Mulisch und Hugo Claus die Oper "Reconstructie", von der eine Aufnahme auf einer Triple-LP (Steim, 1969) veröffentlicht wurde. Diese Gruppe gründete 1969 das Studio for Electro Instrumental Music (STEIM) in Amsterdam, das bis heute besteht.

 

Misha Mengelberg  sowie der Schlagzeuger und Perkussionist Han Bennink blieben über den "ICP"-Kreis und die verschiedenen ICP-Gruppen hinaus während Jahrzehnten musikalische Partner und machten viele weitere gemeinsame Aufnahmen, viele davon auch im Duo (siehe Han Bennink in Duoaufnahmen).

 

Auch in vielen Gruppenaufnahmen waren Mengelberg und Bennink Seite an Seite zu hören, so mit Peter Brötzmann (ts), Evan Parker (ts, ss), Peter Bennink (as, bagpipes), Paul Rutherford (tb) und Derek Bailey (g) auf "Groupcomposing" (ICP, 1978). Im Quartett mit John Tchicai (as) und Derek Bailey (g) entstand "Fragments" (ICP, 1978), im Trio mit Brötzmann (as, ts, cl, bcl) "3 Points And A Mountain" (FMP, 1979). Bennink spielte auf dieser Aufnahme auch Tenorsax und Klarinette.

 

Eine weitere Trioaufnahme der beiden Musiker war "Yi Yole" (ICP, 1979) mit Dudu Pukwana (as). Mit Paul Rutherford (tb, euph) und Maria Schiano (as) entstand die Doppel-LP "A European Proposal (Live In Cremona)" (Horo, 1979). Danach taten sich Mengelberg und Bennink mit Keshavan Maslak (ts, as, ss, picc, bcl, horn) für die Aufnahmen von "Humanplexity" (Leo, 1980) zusammen.

 

Ab den 1980er Jahren machten Mengelberg und Bennink mehrere Aufnahmen mit Steve Lacy (ss). Auf "Regeneration" (Soul Note, 1983) mit Aufnahmen vom Juni 1982 interpretierten die drei Musiker zusammen mit Roswell Rudd (tb) und Kent Carter (b) je drei Herbie Nichols- und Monk-Nummern. Mit George Lewis (tb) und Arjen Gorter (b) als Mitmusiker machten Mengelberg, Lacy und Bennink bei der Herbie Nicols-Hommage "Change Of Season" (Soul Note, 1985) mit.

 

1987 trafen Mengelberg, Bennink, Lacy und Lewis auf Ernst Reijseger (cello), um "Dutch Masters" (Soul Note, 1991) aufzunehmen. Anthony Braxton holte Bennink und Mengelberg zusammen mit Ari Brown (ts, ss), Paul Smoker (tp, flh) und Joe Fonda (b) in sein Charlie Parker-Projekt, von dem eine gleichnamige Doppel-CD (Hat Art, 1995) mit zwei Livemitschnitten erschien.

 

"Four In One" (Songlines, 2001) nannte sich eine Quartettaufnahme mit Dave Douglas (tp) als Co-Leader neben Mengelberg sowie mit Brad Jones (b) und Han Bennink (dm) als Sidemen. Eine Quintettaufnahme war "Circus" (ICP, 2006), eingespielt zusammen mit Tristan Honsinger (cello), Ab Baars (ts), Alessandra Patrucco (vcl) und Han Bennink (dm).

 

"Pech Onderweg" (BVHaast, 1979) hatte Mengelbergs erste Solo-LP geheissen, mitgeschnitten am 25. Februar 1978 im "Bimhuis" in Amsterdam. Die nächste Soloaufnahme "Impromptus" (FMP, 1991) war im 1988 in einem Studio in Berlin aufgenommen worden. Auch bei "Solo" (Buzz, 2000) handelte es sich um eine Studioaufnahme.

                  

"Rituals of Transition" (I Dischi Di Angelica, 2020) zeigt Mengelberg bei Soloauftritten zwischen 2002 und 2010 bei diversen Konzereten in Europa und in der Ukraine. Frühere Soloaufnahmen erschienen in DL-Form als "Berlin Solo 1987" (2021).

 

Misha Mengelberg Trio hiess eine Formation mit Brad Jones (b) und Joey Baron (dm), von der "Who's Bridge" (Avant, 1994) erschien.  Auf "No Idea" (DIW, 1997), der zweiten Aufnahme des Misha Mengelberg Trios, war Greg Cohen der Bassist. "Senne Sing Song" (Tzadik, 2005) war später eine weitere Trioaufnahme mit Greg Cohen (b) und Ben Perowksy (dm).

 

Unter Mengelbergs Namen kam "The Root Of The Problem" (hATOLOGY, 1997) heraus, ein Album, bei der in unterschiedlichen Zusammensetzungen Steve Potts (as, ss), Thomas Heberer (tp), Michel Godard (tuba, serpent) und Achim Kremer (dm) mitmachten. Im Duo mit Yuri Honing (ts) nahm Mengelberg "Playing" (Jazz In Motion, 1998) auf.

 

Auf "Lively" (Buzz, 2000) kam mit Ernst Reijseger (cello) noch ein dritter Musiker dazu. Für die Doppel-CD "Two Days In Chicago" (hATOLOGY, 1999) tat er sich mit Fred Anderson (ts), Ab Baars (cl, ts), Ken Vandermark (ts, dm), Fred Lonberg-Holm (cello), Wilbert de Joode und Kent Kessler (b) sowie Hamid Drake und Martin van Duynhoven (dm) zusammen.

 

"Termos Sessions Volume I" (X-OR und Bimhuis, 2003) bestand aus Duoaufnahmen mit Paul Termos (as). "Frank Gratkowski Vis-à-vis Misha Mengelberg" (Leo, 2006) zeigt Mengelberg im Zusammenspiel mit Frank Gratkowsky (as, bcl, contrabcl). Double Duo hiess ein Quartett, das aus Mengelberg und Satoko Fujii (p) sowie Natsuki Tamura und Angelo Verploegen (tp) bestand und "Crossword Puzzle" (Libra, 2007) realisierte.

 

Es folgten zwei Trioaufnahmen. Mit Cor Fuhler und Michiel Scheen wurde die CD-R "Mill" (Conundrom, 2009) eingespielt. Alle drei Musiker bedienten dabei Instrumente wie Harmonium, Kirchenorgel oder Hammond-Orgel. Mit Ab Baars (cl, ts, shaku) und Ig Henneman (viola) realisierte Mengelberg die CD "Sliptong" (Wig, 2009).

 

"Afijn" (Data und ICP, 2009) hiess eine DVD, die aus einem Dokumentarfilm über Mengelberg sowie aus Konzertaufnahmen diverser Gruppen oder aus Soloauftritten bestand. "It Won't Be Called Broken Chair" (psi, 2011) mit Evan Parker (ts) enthielt Duo-Liveaufnahmen von 2006. "The Untrammeled Traveler" (Chap Chap, 2013) zeigt Mengelberg 1994 im Duo mit Sabu Toyozumi (dm).

 

"Trio Improvisations" (Jazz From Rant, 2012) enthielt Trioaufnahmen von Reg Schwager (g) und Michel Lambert (dm) mit Misha Mengelberg, aber auch mit Kenny Wheeler (tp, flh) und Michael Stuart (sax). Im Dezember 2011 entstand bei einem Konzern in Köln die Aufnahme "Nunc! (Nemu, 2015). Darauf ist Mengelberg zusammen mit Gerd Dudek (ts), Ryan Carniaux (tp), Dirk Bell (g), Joscha Oetz (b) und Nils Tegen (dm) zu hören. 

 

Wegen gesundheitlichen Problemen stellte er seine Tätigkeiten als Musiker danach ein. Misha Mengelberg starb am 3. März 2017 im Alter von 81 Jahren in Amsterdam. Nachträglich erschienen viele weitere Aufnahme. Ein Auftritt des Misha Mengelberg Tentets wurde in DL-Form unter dem Titel "Live at Moers, 1976" (ICP, 2020) zugänglich gemacht. Die Tonqualität war aber unterdurchschnittlich.

 

Weitere Aufnahmen machte er mit Noah Howard, Willem van Manen, Lol Coxhill, Pino Minafra, Jon Rose, Lee Konitz, Ab Baars, Benjamin Herman, Giancarlo Schiaffini, George Lewis, Franz Koglmann und anderen. Er war Mitglied einer Company von Derek Bailey, des Keshavan Maslak Quartets und des Berlin Contemporary Jazz Orchestras.                               06/24

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