Griechisch-armenischer Mystiker, Komponist, Choreograph, Esotheriker, Schriftsteller und Musikforscher, geboren vermutlich 1986 im griechischen Viertel der damals zum zaristischen Russland gehörenden Stadt Alexandropol, dem heutigen Gjumri in Armenien. Die in den von ihm verwendeten Pässen aufgeführten Geburtsdaten waren widersprüchlich und reichten vom 1. Januar 1864 bis zum 28. Dezember 1877.
Ab dem Alter von 14 Jahren reiste er während rund 20 Jahren durch Zentralasien und Tibet. Bei diesen Expeditionen stillte er seinen unbändigen Wissensdurst auf dem Gebiet der Künste und der Wissenschaft. Er interessierte sich vor allem für die traditionellen Formen der Philosophie, des Tanzes und der Musik.
Sein damals entstandenes Buch "Meetings With Remarkable Men" diente Ende der 1970er Jahre als Basis für den Film "Begegnungen mit bemerkenswerten Menschen" (1979) von Peter Brook. Einer von Gurdjieffs Schüler war zwischen 1917 und 1929 der russische Pianist Thomas de Hartmann (1985-1956).
Dieser transkribierte die von Gurdjieff gesammelten und von ihm auf dem Harmonium gespielten Melodien in einfache, melodische Klaviermusik. Erste Aufnahmen von de Hartmann erschienen unter dem Obertitel "The Works Of G.I. Gurdjieff Played By Thomas De Hartmann" ab 1954 beim Label "Edition Janus" auf mehreren LPs. IDanach kamen viele weitere Alben mit Musik von Gurdjieff heraus, gespielt vom Komponisten selber oder von de Hartmann.
Von 1922 an bis zu seinem Tod am 29. Oktober 1949 lebte, lehrte und arbeitete Gurdjieff in Frankreich. Breiter bekannt in der Musikwelt wurde Gurdjieff erst, als Keith Jarrett 1980 unter dem Titel "Sacred Hymns" (ECM, 1980) 15 Stücke von des Komponisten einspielte. Weitere Gurdjieff-Interpreten und -Interpretinnen waren die Pianisten/Pianistinnen Alain Kremski, Elan Sicroff , Cecil Lytle, Herbert Henck, Linda Daniel-Spitz, Charles Ketcham und Laurence Rosenthal.
Sämtliche Harmonium-Aufnahmen von Gurdjieff selber eingespielt wurden unter dem Titel "Harmonic Development - The Complete Harmonium Recordings 1948-49" (Basta, 2004) veröffentlicht. Die 113 Werke wurden in vier Serien eingeteilt und entstanden alle in Gurdjieffs Wohnung in Paris.
Es handelte sich um die "First Series" mit Aufnahmen, die zwischen dem 1. April und dem 21. Juli 1949 aufgezeichnet wurden; "Mesoteric Series", aufgenommen zwischen dem 22. Juli und dem 18. August 1949; "American Series", aufgenommen zwischen dem 25. August und dem 27. September 1949 und "Second Series" mit Aufnahmen vom 27. September bis zum 16. Oktober 1949.
Dazu kamen weitere Aufnahmen, die Gurdjieff zwischen dem 25. Dezember 1948 und Anfang Februar 1949 im "Wellington Hotel" in New York gemacht hatte. Ergänzt wurden sie mit Gesprächsaufnahmen von Gurdjieff. Mit weiteren, titellosen Stücken umfassten die Harmonium-Aufnahmen insgesamt 136 Werke mit einer Gesamtlänge von rund 19 Stunden.
Das Ganze erschien als Set. Hauptteil war eine CD-ROM mit der Musik in Form von MP3-Tracks. Ausschnitte davon lagen dem Set auch in Form einer Doppel-CD bei. Das Set umfasste zudem ein 144-seitiges Buch mit einem Vorwort von Robert Fripp und einen Film im AVI-Format von Evelyn Sutta mit dem Titel "Some moments with Mr. Gurdjieff and others, France 1949".
Auf dem 4-CD-Set "Oriental Suite: The Complete Orchestra Music 1923-1924" (Basta, 2006) fanden sich die kompletten Orchesterwerke von Gurdjieff, wie sie im Dezember 1923 mit einem grösseren Orchester in Paris und anschliessend mit einem kleineren Ensemble und einer anderen Orchestrierung im Januar 1924 in New York, Boston und Chicago aufgeführt wurden.
Das Label "ECM", das mit der Jarrett-Aufnahmen das Interesse an Gurdjieff geweckt hatte, liess weitere Aufnahmen mit Musik dieses Komponisten folgen. Anja Lechner (viola) und Vassilis Tsabropoulos (p) spielten unter dem Titel "Chants, Hymns And Dances" (ECM New Series, 2004) elf Werke von Gurdjieff ein.
Dazu kamen fünf Kompositionen von Vassilis Tsabropoulos, die der Komponist selber spielte. "Music of Georges I. Gurdjieff" (ECM New Series, 2011) hiess eine Aufnahme des The Gurdjieff Folk Instruments Ensemble unter Levon Eskenian. "Zartir" (ECM, 2023) war eine weitere Aufnahme dieser Gruppe. Gurdjieffs Musik ist auf rund 100 Schallplatten verewigt.
Gurdjieffs Bedeutung ausserhalb der Musik ist umstritten. Entweder wird er als charismatischer Meister angesehen, der fundamental neues Wissen in den westlichen Kulturraum brachte – oder er wird als wirrer Scharlatan mit grossem Ego und Selbstdarstellungstrieb betrachtet. Anekdoten aus seiner Biografie und seinem Werk bieten je nach Perspektive genug Stoff für beide Einordnungen. 01/24